Mysterium Tonwertpriorität

Canon Spiegelreflexkameras verfügen über eine viel diskutierte Funktion zur Belichtungsoptimierung. Was es damit auf sich hat und was es bringt, findet ihr in meinem heutigen Blogpost.

S-Tonwertpriorität

Das Aktivieren der Tonwertpriorität soll vor hellen Bildbereichen ohne Zeichnung schützen. Dies sei besonders in anspruchsvollen Belichtungssituationen hilfreich – so sagt es jedenfalls die Dokumentation. Wo normal aufgenommene Bilder nur ausgebrannte Stellen zeigten – wie das Beispielbild des Hundes zeigt -, würden mit Tonwertpriorität geschossene Fotos noch ausreichend Details aufweisen.

hund-tonwertprioritaet

An Funktion und Wirksamkeit dieser Kameraoption scheiden sich die Geister. Schließlich kann auch die beste Automatik die Grenzen des Dynamikumfangs des Sensors nicht weiter strecken. So kommt auch beim Einsatz der Tonwertpriorität letztlich nur ein einfacher Trick zum Einsatz: Die analogen Signale des Sensors werden bei der Umwandlung ins Digitale so interpretiert, als wäre die ISO-Stufe niedriger eingestellt, also etwa ISO 100 statt 200. Die Belichtungsmessung arbeitet jedoch mit dem höheren Wert, im Beispiel also ISO 200. Es erfolgt also bei der Aufnahme eine gezielte Unterbelichtung um eine Blendenstufe. Damit soll zusätzlicher Spielraum gewonnen werden, bevor ausgebrannte Stellen im Bild auftauchen. Damit ist zugleich erklärt, warum bei aktivierter Tonwertpriorität der minimal einstellbare ISO-Wert 200 beträgt. Bei ISO 100 müsste die Aufnahme mit ISO 50 erfolgen, was der Sensor nicht leisten kann. Die Unterbelichtung wird anschließend natürlich korrigiert – sei es bei der JPEG-Entwicklung in der Kamera oder bei der RAW-Entwicklung mit einem RAW-Konverter. Das Unterbelichten und Aufhellen führt zum Nachteil der Tonwertpriorität: In den dunklen Bildpartien, den Schatten, steigt das Rauschen an.

Anders sieht es bei den Lichtern aus. Diese gewinnen in der Tat ein wenig an Zeichnung. Dazu wird bei der Tonwertpriorität mit einer Gradationskurve gearbeitet, die in den sehr hellen Bildbereichen nur noch sanft ansteigt. Die Gradationskurve beschreibt das Verhältnis der vom Sensor aufgenommenen Lichtmenge und den zugeordneten Helligkeitswerten.

Da die RAW-Datei einer Aufnahme diese spezielle „digitale“ Interpretation der analogen Sensordaten enthält, wirkt sich die Tonwertpriorität – anders als übrigens die Automatische Belichtungsoptimierung – auch auf RAW-Dateien der Kamera aus. Die RAW-Datei wird dabei mit einem so genannten Flag versehen, also markiert. Der Canon-eigene RAW-Konverter Digital Photo Professional erkennt diese Markierung und passt die Bilddarstellung entsprechend an. Auch Lightroom, als Fremdlösung, kann Aufnahmen mit Tonwertpriorität erkennen und versucht die Darstellung entsprechend zu adaptieren. Besonders bei versehentlich unterbelichteten Bildern verstärken sich bei diesem Programm jedoch die Effekte und das Bildrauschen zeigt sich bei der Bearbeitung deutlich.

Lange Rede, kurzer Sinn: Im Prinzip kann die Rettung vor ausgebrannten Lichtern bei RAW-Dateien mindestens ebenso gut mit dem RAW-Konverter erfolgen. Das gilt insbesondere dann, wenn ihr nicht mit Digital Photo Professional arbeitet. Auch bei JPEG-Bildern können helle Partien noch durchaus bearbeitet werden. Allerdings lassen sich komplett ausgebrannte Bereiche bei diesem Format nicht retten. In diesem Fall bietet die Tonwertpriorität eine gewisse Sicherheitsmarge.

Wer noch weiter lesen will, dem kann ich diese Seite empfehlen.

3 Gedanken zu “Mysterium Tonwertpriorität

  1. Hallo Herr Spehr,
    danke fuer die gute, genaue und verstaendliche Beschreibung bzgl. Tonwertprioritaet. Deckt sich mit meinen Erfahrungen und ist bei mir immer ausgeschaltet. 🙂
    MfG
    Rolf Figge

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